Dettensee
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Die ehemalige Schlossanlage und das Vogteigebäude

[Q] Die Informationen auf dieser Seite entstammen, soweit nicht anders angegeben, folgender Quelle: Herbert Zander: Das Schloss in Dettensee – Renaissanceanlage eines kinderlosen Grafen. In: Burgställe, Ruinen und Schlösser am Neckarknie bei Horb – Supplement-Band zu Folge 17 der Veröffentlichungen des Kultur- und Museumsvereins Horb e.V, 2010.

Die Schlossanlage

Das Vogteigebäude (heute häufig „Schloss“ genannt) mit einem Rundturm ist das bauliche Schmuckstück Dettensees. Etwas versteckt hinter dem Gasthaus „Hirsch“ und dem Gemeindehaus liegt dieses schöne Renaissancegebäude im stilvoll gestalteten Schlosshof. Dabei handelt es sich aber lediglich um den heute noch erhaltenen Teil einer ehemals viel größeren Anlage, die das ganze Areal des heutigen Schlosshofs umfasste. Die Vogtei hat eine Grundfläche von ca. 19 m × 10 m und eine Firsthöhe von ca. 15 m. Das Verbindungsgebäude zum Turm ist jüngeren Datums; ursprünglich befand sich an dieser Stelle ein Wehrgang.

Die Vogtei wurde im Stil der Renaissance mit schönen Voluten-Giebeln und Fensterkreuzstöcken sowie einem liegenden Dachstuhl gestaltet.

 

Das eigentliche Schloss befand sich an der Stelle des heutigen Feuerwehrhauses und hatte wahrscheinlich auch die gleiche West-Ost-Ausrichtung wie dieses und die Vogtei. Im Baustil glich es vermutlich dem Vogteigebäude, war aber wesentlich größer: Neuere Forschungsergebnisse lassen eine Grundfläche von 20 m × 16 m und eine Firsthöhe von 22 m vermuten. Das Gebäude bot damit mit Sicherheit einen imposanten Anblick. Allerdings waren in einem Ort der Größe Dettensees – mit relativ kleiner Markung und stets niedriger Bevölkerungszahl – die wirtschaftlichen Grundlagen für den Erhalt eines solchen Gebäudes nicht vorhanden. Es zeigte nach 120 Jahres des Leerstandes mit nur sehr vereinzelten Erhaltungsmaßnahmen bereits starke Verfallserscheinungen, als es 1813 bis 1817/18 abgerissen wurde.

Das großes Ökonomiegebäude wurde im 19. Jahrhundert zum Maierhaus erweitert und bestand bis 1945 als altes Rathaus (an der Stelle des heutigen Gemeindehauses). Dieses Gebäude war in Nord-Süd-Achse ausgerichtet. An einer nicht genau bekannten Stelle auf der Fläche des heutigen Gasthauses „Hirsch“ befand sich das große Haupttor zur Anlage mit Wohnungen in den oberen Stockwerken. Ein Nebentor an der Südseite der Anlage ist heute noch neben der Vogtei erhalten.
 

 

Die gesamte Schlossanlage hatte eine Ausdehnung von ca. 64 m in Ost-West- und 55 m in Nord-Süd-Richtung und war von einer zwischen 6 und 7 m hohen und zwischen 80 und 100 cm starken Wehrmauer umfasst, deren Wehrgang vermutlich überdacht war. Zur Anlage gehörten weitere, außerhalb der Mauern liegende Wirtschaftsgebäude, die zum Teil heute noch erhalten sind. Neben dem erhaltenen südöstlichen Rundturm ist die Existenz zweier weiterer gesichert, die eines vierten umstritten. Zudem erfolgte der Zugang zum Schloss durch einen sechs- oder achteckigen Zugangsturm.

Die Pfarrkirche St. Cyriak ist zwar wesentlich älter als die Schlossanlage, wurde aber beim Bau des Schlosses baulich integriert und ist bis heute mit dem angrenzenden Gebäude, dem heutigen Gasthaus „Hirsch“, verbunden.

Von der gesamten Schlossanlage existiert nur eine zeitgenössische Abbildung, die Pater Pater Leodegar Maier (1687-1754) um 1750 erstellte und die auch die Dettenseer Kirche zeigt. Die Zeichnung ist allerdings perspektivisch und maßstäblich nicht korrekt und kann nur als Anhaltspunkt für das Aussehen der Anlage dienen.

Bauzeit und Erbauer

Die gesamte Schlossanlage wurde um das Jahr 1585 vom letzten Grafen von Nellenburg, Christoph Ladislaus (ca. 1535-1591), erbaut. Sein Vater, Christoph von Nellenburg († 1539, beerdigt in Empfingen) hatte Dettensee 1528 erworben, kämpfte jedoch Zeit seines Lebens mit finanziellen Schwierigkeiten, ebenso wie seine Kinder, vor allem jene aus erster Ehe.
Christoph Ladislaus, der zweite Sohn aus Christophs zweiter Ehe, wurde schon in jungen Jahren für eine Laufbahn im geistlichen Stand ausersehen, vermutlich auch zu seiner finanziellen Versorgung angesichts der nicht sehr wohlhabenden Familie. Als Domprobst in Straßburg (seit 1569) sowie Afterdekan des Domstiftes zu Köln (seit 1573) war er an schweren konfessionellen Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten seiner Zeit (dem Kölner Krieg und dem Straßburger Kapitelstreit) beteiligt und gehörte zu den mächtigen Männern der Domkapitel beider Städte. Das Dettenseer Schloss erbaute Christoph Ladislaus als kinderloser katholischer Geistlicher als standesgemäße Residenz und Alterswohnsitz, wobei er eine Anlage erbaute, die für die Wirtschaftskraft von Dettensee allein überdimensioniert war.

Nach seinem Tod am 29. Mai 1591 wurde er in der Gruft der Dettenseer Pfarrkirche beigesetzt. In der Folgezeit kam es zu schweren Erbstreitigkeiten zwischen Christoph Ladislaus' (Halb-)Nichte und den Grafen von Hohenzollern-Haigerloch. Dettensee und damit die Schlossanlage kamen 1638 nach einem weiteren langen Erbstreit an Adam Heinrich Keller von Schleitheim († 1664), der im Dreißigjährigen Krieg zu einem erfolgreichen und wohlhabenden Mann geworden war.

Umbauten

Alte Viehtränke als Brunnen im renovierten Schlosshof
Alte Viehtränke als Brunnen im renovierten Schlosshof

Adam Heinrich Keller von Schleitheim versetzte das Schloss, das sich bereits im Verfall befand, wieder in einen bewohnbaren Zustand und ließ es im Barockstil umbauen. Dabei wurden unter anderem zum Schlosshof hin die Fenster vergrößert und statt der alten Renaissancedecken Stuckdecken gegipst. Die Ecktürme verloren hier auch ihren wehrhaften Charakter. Diese Umbauten wurden um das Jahr 1653 abgeschlossen. Spätestens 1690 lebte die herrschaftliche Familie allerdings nur noch in der Vogtei und hatte das Schloss als Wohnstätte aufgegeben.

Nach 1715, als Dettensee an das Schweizer Kloster Muri fiel, standen Schloss und Vogtei vermutlich Jahrzehnte lang leer. Muri hatte hatte nur an den Wirtschaftsgebäuden der Anlage Interesse; lediglich im Keller der Vogtei lassen sich Baumaßnahmen nachweisen. Im Jahre 1813 war das Schloss so baufällig geworden, dass es auf Abbruch verkauft und bis 1817/18 abgetragen wurde. Mit einem Teil der Steine wurde 1820 die Synagoge errichtet.

Die Vogtei blieb erhalten und wurde in den 1813 von der fürstlichen Herrschaft an einen Privatmann verkauft, der es seinen Kinder überließ. Etwa ab 1844 wurde das Gebäude zu einem Wohn- und Landwirtschaftsgebäude mit zwei getrennten Wohnungen umgebaut und dabei sowohl in der Außen- als auch der Innengestaltung stark verändert. Bis in die 1980er Jahre war das Gebäude zwar ständig bewohnt, sein baulicher Zustand verschlechterte sich aber immer mehr.

Renovierung

Fundament des südöstlichen Turms
Markierte Fundamentreste des südwestlichen Turms und der Wehrmauer

Innenraum im Vogteigebäude
Innenraum im renovierten Vogteigebäude, 1990er Jahre

Im Jahr 1985 erwarb das Horber Architekten-Ehepaar Petra und Albrecht Laubis das Gebäude. Nach umfangreichen Analysen zur Statik des Gebäudes und seiner Bausubstanz restaurierte die Familie Laubis die Vogtei in den Jahren bis 1991 innen und außen – bei Erhalt und Wiederherstellung von möglichst viel des ursprünglichen Zustands von 1585 bzw. 1653. Seither dient die Vogtei als Büro- und Wohngebäude.

Die beispielhafte Arbeit wurde 1992 mit dem Denkmalschutz-Preis des Schwäbischen Heimatbundes und der Württemberger Hypo ausgezeichnet. Ohne das Engagement der Familie Laubis wäre die Vogtei mit großer Wahrscheinlichkeit zum völligen Zerfall verurteilt gewesen.

Seit Oktober 2003 ist die aus Nagold stammende Familie Endrich/Würth Besitzerin der Anlage. Im Jahr 2006 ließ sie eine baufällige Scheune an der Vogtei entfernen, die Westfassade renovieren sowie die Reste von Wehrmauer und südwestlichem Turm sichern.

Bilder: Frank Zander, Mai 2012, außer Innenraum: Albrecht Laubis, Skizze der alten Schlossanlage: Pater Leodegar Maier (ca. 1750), Handschrift Nr. 295 im Archiv des Klosters Muri/Gries

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